Archiv der Kategorie: Berichte

Vortrag über die Universalität der Menschenrechte

Am 30. November 2019 hielt Prof. Dr. Heiner Roetz einen Vortrag zum Thema „Die Universalität der Menschenrechte – Ist ein Konsens unterschiedlicher Sichtweisen der Menschenrechte möglich?“.

Der emeritierte Professor für Geschichte und Philosophie Chinas forschte an der Ruhruniversität Bochum unter anderem zu Menschenrechtsfragen und kulturübergreifender Bioethik. Die Solinger Gruppe von Amnesty International hatte ihn am Internationalen Tag der Städte gegen die Todesstrafe in Kooperation mit der VHS und der Stadt Solingen eingeladen, um die aktuelle weltweite Lage der Menschenrechte einzuschätzen.

Prof. Heiner Roetz wendete sich gegen den Versuch, die Menschenrechte als allgemeingültige globale Normen in Frage zu stellen. Einer immer wieder gegen sie vorgetragener Einwand laute, dass sie den nicht-westlichen Kulturen nur aufgenötigt worden seien und ein ihnen im Grunde fremdes Wertesystem verkörperten. Der Einwand komme auch aus Politik und Wirtschaft, wenn man sich die Zusammenarbeit mit autoritären Regimen nicht stören lassen will, sowie von diesen Regimen
selbst.

So bestehe heute z.B. China auf einer eigenen Lesart der Menschenrechte, die darauf hinauslaufe, die klassischen bürgerlichen Freiheitsrechte zugunsten sogenannter kollektiver Rechte zu beschneiden. Das Regime berufe sich hierfür unter anderem auf die Besonderheit der chinesischen Kultur.

Heiner Roetz wies dieses Argument zurück und erinnerte daran, dass es im Westen selbst gegen die Menschenrechte vorgetragen wurde. So seien sie auch von den Päpsten des 19. Jahrhunderts als der christlichen Tradition zuwiderlaufend zurückgewiesen worden. Er vertrat hiergegen die Ansicht, dass die Menschenrechtsfrage keine kulturelle, sondern eine politische sei und ein substantieller Konsens auch über die Kulturen hinweg möglich sei, wenn man sich um ihn bemühe.

Was der Idee der Menschenrechte tatsächlich mehr geschadet habe als ihre angebliche Unvereinbarkeit mit fremden Wertesystemen, sei die reale menschenrechtsverletzende Praxis des Westens, also genau jener Kultur, die beanspruche, sie erfunden zu haben.

In der anschließenden von Bernhard Erkelenz moderierten Diskussion gingen der Solinger MdL Josef Neumann, ZUWI-Vorsitzender Hassan Firouzkhah und Hanna Attar vom AWO-Projekt „Nicht in meinem Namen!“ auf diese Argumentation ein.

Josef Neumann bestätigte zwar, dass die Menschenrechts-Situation weltweit immer noch besorgniserregend sei, dass aber in einzelnen Politikfeldern große Fortschritte zu erkennen seien. Er schlussfolgerte, dass sich die Durchsetzung und Einhaltung aller Menschenrechte erreichen ließe, wenn die zivilgesellschaftlichen Akteure weiter beharrlich dafür kämpfen und die Politik entsprechend zur Rechenschaft zögen.

Der aus dem Iran stammende Hassan Firouzkhah sah die Menschenrechts-Situation auf der Welt als nicht zufriedenstellend an und meinte, dass Autokraten und diktatorische Regime nur durch politische, militärische und vor allem wirtschaftliche Maßnahmen zur Einhaltung dieser Rechte gebracht werden könnten.

Hanna Attar von der AWO betonte, dass sich Konflikte länder- und kulturübergreifend am besten durch zwischenmenschliche Begegnungen, einen persönlichen Meinungsaustausch, das Eintreten für eine offene Gesellschaft und ein vorurteilsfreies Aufeinanderzugehen verhindern lassen.

Lichtkünstler Frank Göllmann hatte wie im letzten Jahr den Veranstaltungsort mit einer grünen Lichtinstallation in Szene gesetzt. Weltweit werden im Rahmen der Initiative „Cities for Life“ am Tag der Städte gegen die Todesstrafe öffentliche Gebäude grün angestrahlt.

Missio-Truck zeigt, was Flucht für Betroffene bedeutet

Letzte Woche machte der Missio-Truck des Katholischen Hilfswerks auf Einladung unserer Amnesty-Gruppe Am Neumarkt und in Ohligs Halt, um über Flucht am Beispiel der Demokratischen Republik Kongo zu informieren. Eine Ausstellung mit interaktiven Elementen ließ die Situation der Betroffenen besonders anschaulich werden – was mitnehmen, wenn man innerhalb von Minuten entscheiden muss, seine Heimat zu verlassen, weil Bürgerkriegsmilizen auf das Dorf zukommen? Welche Ursachen haben die Auseinandersetzungen im Kongo? Und was können wir dazu beitragen, die Situation dort zu verbessern?

Neben Einzelpersonen besuchten auch mehrere Schulklassen den Truck.

Das Solinger Tageblatt berichtete am 11. Juli 2019: „Truck macht Fluchterfahrung erlebbar“

Auftaktveranstaltung „Cities for Life“ erfolgreich

Die Resonanz war trotz starker Termin-Konkurrenz erfreulich gut. Etwa 30 Besucher fanden am 30. November – dem internationalen Tag gegen die Todesstrafe – den Weg in den Franziskus-Saal der Gemeinde St. Clemens, auch dank der grünen Beleuchtung der Kirchenfenster, die Frank Göllmann inszeniert hatte.

Auftaktveranstaltung „Cities for Life“ erfolgreich weiterlesen

Aufwühlende Theateraufführung gegen die Spirale des Hasses

„Du sollst nicht hassen“ heißt die Biographie von Dr. Izzledin Abueleish. Die Adaption für die Bühne: „Ich werde nicht hassen“. Das Ein-Personen-Stück berichtet aus der Ich-Perspektive des palästinensischen Frauenarztes, der in Israel arbeitete, um seinen beruflichen Traum zu verwirklichen, der aber auch seinen palästinensischen Landsleuten zu einem besseren Leben verhelfen wollte. Er scheiterte in Gaza an der Hamas, in Israel an der Willkür der Behörden, die ihn immer wieder schikanierten. Michael Morgenstern vom Ali Jalaly-Ensemble verkörperte diesen Menschen zwischen Begeisterung und blanker Verzweiflung mit einer Intensität, die das Publikum erschütterte. 70 Besucher waren am 23. November in die Evangelische Stadtkirche Ohligs gekommen, um die Geschichte von Dr. Abueleish zu sehen. Amnesty International hatte zusammen mit der Theatergruppe Gaudium der Kirchengemeinde dazu eingeladen.

Aufwühlende Theateraufführung gegen die Spirale des Hasses weiterlesen

Starker Rückhalt für Solinger Erklärung

Eine ständig aktualisierte Version der Unterzeichnerliste findet sich hier: https://amnesty-solingen.de/solinger-erklaerung

Etwa 300 Menschen kamen am Samstag zur Seebrücke-Kundgebung am Fronhof. Foto: Daniela Tobias

40 Organisationen und Gruppen haben inzwischen ihre Unterstützung für die „Solinger Erklärung für eine menschenrechtsbasierte und solidarische Flüchtlingspolitik in Deutschland und Europa“ bekundet, wobei einige der Angefragten bedauerten, dass sie wegen des Urlaubs von verantwortlichen Personen keine kurzfristige Zusage geben konnten. Bei der Seebrücke-Kundgebung am Samstag kamen weitere 141 Unterschriften von Einzelpersonen hinzu.

Diese in so kurzer Zeit große positive Resonanz zeigt uns, dass die Solinger Gesellschaft nicht gewillt ist, massive Menschenrechtsverletzungen an den Außengrenzen der EU hinzunehmen. Es geht hier mitnichten um einen „humanistischen Tunnelblick“, sondern um die Grundlagen unseres Zusammenlebens, die im Grundgesetz und in der Europäischen Menschenrechtskonvention verankert sind. Es geht um akute Notfallhilfe, die Einhaltung rechtlicher Standards, die Übernahme von Verantwortung sowie eine Absage an das Sterbenlassen und die Rückführung in Häfen, die nicht sicher sind, sondern wo den Betroffenen Folter und Schlimmeres droht. Dr. Christoph Zenses hat in eindrücklicher Weise die Konsequenzen einer solchen Abwehrstrategie für die Menschen geschildert. Es ist ein wichtiges Signal, dass auch Oberbürgermeister Tim Kurzbach darauf hinweist, dass in Solingen noch Kapazitäten frei sind, um den Mittelmeerstaaten beizustehen in der Bewältigung dieser Aufgabe.

Wir bedauern, dass Carsten Voigt als Fraktionsvorsitzender der CDU und stellvertretender Bürgermeister in diesem wichtigen Zeichen von OB Tim Kurzbach eine „Werbekampagne“ und einen kommunalen Einzelgang ausmachen will, wo es doch im Gegenteil um eine faire Zusammenarbeit und das gemeinsame Anpacken geht, also eigentlich eine Selbstverständlichkeit und sicher keine Überforderung. Wie Superintendentin Dr. Ilka Werner richtig bemerkte, gehört zu Augenmaß und Realismus in der Debatte, dass Soforthilfe nicht gegen langfristige Beseitigung von Fluchtursachen ausgespielt wird. Die Menschen, um die es geht, haben diese Zeit nicht.

Das Anliegen der Seebrücke und auch der „Solinger Erklärung“ ist die akute Nothilfe und der unbedingte Appell, dabei die Menschenrechte nicht über Bord zu werfen. Davon abgesehen müssen Deutschland und die EU natürlich auch ihren Teil der Verantwortung für die Beseitigung von Fluchtursachen übernehmen sowie eine sinnvolle Migrationspolitik entwickeln, denn mittelfristig ist aus verschiedenen Gründen nicht mit einer signifikaten Abnahme der Migrationsbewegung zu rechnen. Das Fehlen einer solchen politischen Strategie führt derzeit zu einer Vermischung verschiedener Aspekte von Flucht, die manche politischen Kräfte dazu verleitet, das Recht auf Asyl auszuhebeln. Dem stellen wir uns vehement entgegen.

Weitere Informationen von Amnesty International zu diesem Thema finden Sie hier: „Erst Menschen, dann Grenzen schützen.“

Gespräch mit MdB Jürgen Hardt zu Afghanistan

Das Thema „Abschiebungen“ beschäftigt in Solingen insbesondere eine Reihe von afghanischen Geflüchteten. Durch die anstehenden Entscheidungen der Verwaltungsgerichte und des BAMF, ggf. kein Asyl zu gewähren, ist der Vorstand des Deutsch-Afghanischen Freundeskreises Solingen aktuell sehr besorgt. Dessen erster Vorsitzender Noor Abrahamkhail hat am 3. Mai 2018 in Abstimmung mit Helmut Eckermann von der Solinger Gruppe von Amnesty International das Gespräch mit unserem Bundestagsabgeordneten, Herrn Jürgen Hardt (CDU), gesucht.

Sie wiesen auf die großen Sorgen hin, nicht zuletzt auf Grund der ständigen Bedrohungen bei Rückführungen in alle Landesteile Afghanistans. Nach wie vor stehen im Vordergrund der Abschiebungen die „Gefährder“, „Straftäter“ oder „Personen mit ungeklärter Identität“. Afghanische Personen aus diesen Gruppen sind – erfreulicherweise – in Solingen nicht bekannt. Große Sorge bereiten aber dennoch die zu erwartenden ablehnenden Asyl-Entscheidungen. Herr Hardt verwies auf die Mitbeteiligung der Länder und Kommunen. Die Sachlage für Afghanistan ist unklar. Herr Hardt geht nach wie vor davon aus, dass es sichere Landesteile gibt.

Die Aussagen von Herrn Ministerpräsidenten Armin Laschet (CDU) am 6. Mai 2018 in der Sendung „Bericht aus Bonn“ zu diesem Thema waren ebenfalls wenig konkret. Auf dieser Grundlage ist eine erneute Gesprächsinitiative des Freundeskreises mit dem Solinger Sozialdezernenten, Herrn Jan Welzel, vorgesehen. Dieser hatte vor Jahresfrist zugesichert, den Verein rechtzeitig über mögliche Abschiebungen, in die auch die Leitung des Ausländeramt der Stadt Solingen eingebunden ist, zu informieren.

Helmut Eckermann übersandte Jürgen Hardt im Anschluss an das Gespräch weitere Unterlagen, wie etwa den UNHCR-Bericht vom 12. März 2018 über die aktuelle Lage in Afghanistan und ein Asylgutachten für das VG Wiesbaden vom 5. Februar 2018, in dem es heißt:

Jenseits der allgemein großen Gefahr für Leib und Leben durch den bewaffneten Konflikt sehen sich viele Afghan_innen zusätzlich besonderen Gefahren ausgesetzt, die die Europäische Union und das Völkerrecht als „schwerwiegende Verletzung fundamentaler Menschenrechte“ aufgrund rassistischer Diskriminierung, Religion, Staatsangehörigkeit, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppen oder Vertreter_in einer bestimmten politischen Meinung definiert.

Die Gefahr von Verfolgung ist nicht auf spezielle Orte oder Gebiete beschränkt. Zu schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen kommt es überall im Land, wobei es keine Rolle spielt, ob ein Gebiet dabei effektiv unter der Kontrolle von regierungstreuen oder regierungsfeindlichen Kräften steht.

Wir bitten Sie daher, im zuständigen Ausschuss prüfen zu lassen, ob die Aufhebung des Abschiebungsstopps nach Afghanistan noch weiterhin humanitär zu verantworten ist.

Ferner bitten wir Sie, sich für die Freilassung von Taner Kilic, den Vorsitzenden der türkischen Sektion von Amnesty International und für die Pressefreihit in der Türkei einzusetzen.

Weiterhin erinnern wir an unsere Anfrage zur Zusammenarbeit von deutschen mit libyschen Sicherheitskräften und bitte um entsprechende Stellungnahme.