Laudatio zum 65. Geburtstag der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte
Liebe Jubilarin!
Nun bist Du am 10. Dezember 2013 65 Jahre alt geworden und hast damit das Rentenalter erreicht. Herzlichen Glückwunsch! Im Unterschied zur menschlichen Arbeitswelt kannst Du auf volle 65 Jahre Lebensarbeitszeit mit 24-Stunden-Tag zurückblicken. Rekord! Doch in die Geburtstagsfeierlichkeiten müssen wir leider einen Wermutstropfen gießen: Solltest Du nämlich einen Rentenantrag gestellt haben, so muss dieser abgelehnt werden. Begründung: Die Menschenrechte werden noch immer weltweit missachtet. Bis auf Weiteres ist also Arbeitsverlängerung angesagt. Wir hätten Dir dies ursprünglich erst am Schluss dieser Laudatio mitteilen wollen, wir fanden es jedoch ehrlicher, Dir von Anfang an reinen Wein einzuschenken. Das Lob für Deine bisherigen Leistungen und Erfolge, von denen wir im Folgenden einige hervorheben, genießt Du hoffentlich, und sie mögen Dir die Motivation und Kraft für die Weiterarbeit verleihen!
In den letzten 65 Jahren ist nicht zuletzt dank Deiner dreißig Artikel, die zunehmend stärker im Bewusstsein der Menschheit und auch der Regierenden verankert wurden, einiges Positive erreicht worden:
- Die Anzahl der Staaten, in denen Todesurteile gefällt und vollstreckt werden, ist drastisch zurückgegangen, der Anteil der Gegner der Todesstrafe ist erheblich gestiegen.
- Dies gilt auch für die Folter und andere Formen unmenschlicher und erniedrigender Behandlung. Bekannt gewordene Fälle von Folter lösen weltweit Empörung aus, Folter schadet Staaten, in denen gefoltert wird.
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Staaten können sich heute die Unterdrückung der Meinungsfreiheit, Religion oder Weltanschauung ihrer Bürger sowie die Diskriminierung von Menschen wegen ihrer Hautfarbe, ihrer ethnischen oder sozialen Herkunft, ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Orientierung zumindest weniger leisten, u. a. weil sie öffentlich gemacht werden. In diesem Zusammenhang erinnern wir an das Zusammentreffen zweier Ereignisse am 10. Dezember 2013: Deines Geburtstags und der Trauerzeromonie für Nelson Mandela, der sich in Deinem Sinne sein Leben lang für die Verwirklichung der Menschenrechte, insbesondere für die Gleichheit aller Menschen, eingesetzt hat.
- In einigen Staaten wurden die Menschenrechte sogar in der Verfassung verankert, u. a. bereits 1949 im Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, das in Artikel 1 mit der programmatischen Formulierung „Die Würde des Menschen ist unantastbar […]“ beginnt. In den Jahren nach 1948 bis heute sind weitere rechtlich verbindliche internationale Menschenrechtsverträge und -konventionen beschlossen und von zahlreichen Parlamenten ratifiziert worden. Darauf können sich Menschen, deren Rechte beschnitten oder die unterdrückt und verfolgt werden, berufen. In Europa kann man in Menschenrechtsangelegenheiten seine Beschwerde beim Europäischen Menschenrechtsgerichtshof in Den Haag einreichen, falls man mit dem Urteil eines nationalen Gerichts nicht einverstanden ist. Bereits in zahlreichen Fällen mussten sich nationale Gerichte dem Urteil aus Den Haag beugen.
- Im schulischen und außerschulischen Bereich gehört das Thema Menschenrechte zunehmend zum Kernbereich der politischen Bildung.
- Nun zuletzt hast Du, liebe Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, wesentlich zur Gründung von Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International (AI) beigetragen, die für ihre Arbeit 1977 den Friedensnobelpreis erhielt.
Doch auf dem Erreichten dürfen Du und wir nicht ausruhen. Die Menschenrechte werden noch immer tagtäglich verletzt. Gut dokumentiert ist dieser Missstand in den Jahresberichten von Amnesty International. So werden im „Amnesty International Report 2013 zur weltweiten Lage der Menschenrechte“ (Frankfurt am Main 2013, ISBN 978-3-10-000837-4) Menschenrechtsverletzungen in 159 Staaten dokumentiert. Das sind vier Fünftel aller Staaten, wobei es zu bedenken gilt, dass AI ausschließlich Staaten bzw. Menschenrechtsverletzungen aufführt, für die sichere Daten vorliegen. Übrigens kommt auch Deutschland im Bericht nicht ungeschoren davon (S. 112 ff.). Beanstandet wird u. a. die Flüchtlings- und Asylpolitik. So nebenbei sind wir nun bei einer der noch unbewältigten Aufgaben angelangt, die mit Deiner Hilfe, liebe Erklärung der Menschenrechte, angegangen werden kann:
- der Verbesserung der oft zum Himmel schreienden Not der Flüchtlinge weltweit (Stichwort Lampedusa!) und der notwendigen Sensibilisierung der gesamten Weltgemeinschaft für die Lösung dieses Problems, wozu auch die Analyse und Bekämpfung der Ursachen gehört: Verarmung aufgrund ungerechter Verteilung (u. a. Landraub), politische und gesellschaftliche Ausgrenzung, Unterdrückung und Verfolgung, (Bürger-)Kriege, die nicht zuletzt durch Rüstungsexporte erst ermöglicht werden, negative Auswirkungen des Klimawandels u.v.a.m.
- Ein nicht nur in diktatorischen und autoritären Staaten begegnendes Phänomen ist die Einschränkung der Grundrechte. Vor einigen Jahren hätte es wohl kaum jemand für möglich gehalten, dass auch in Demokratien durch die neuen Kommunikations-Technologien massive Verletzungen der Persönlichkeitsrechte begangen werden, wie sie u. a. die US-amerikanischen und britischen Geheimdienste durchführen. Bei allen Verteidigern der Menschenrechte müssten spätestens jetzt die Alarmglocken läuten!
Fazit: Es gibt noch viel zu tun!
Liebe Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, am Schluss unserer Laudatio – wir hätten noch weitere „Baustellen“ für Dich und uns benennen können… – danken wir Dir noch einmal dafür, dass es Dich gibt und Du bereits so lange gearbeitet hast. Wir sind darauf angewiesen, dass Du weiter machst!
Es grüßen Dich
die Mitglieder Solinger Gruppe von Amnesty International
(Text: Bernhard Erkelenz)